Integral Somatic Psychology (ISP) wurde von Dr. Raja Selvam entwickelt. Seit den Anfängen hat er zusammen mit Dr. Peter Levine Somatic Experiencing (SE) entwickelt und gelehrt. Trotz seiner Hochachtung für Peter Levine und dessen Methode, hat er entdeckt, dass es häufig neben SE noch etwas Zusätzliches braucht: Das vollständigere Verarbeiten von unangenehmen Emotionen durch die Praxis der Verkörperung (Embodiment). Während im Somatic Experiencing (SE) sehr stark auf die Vervollständigung von körperlich-instinktiven Kampf- und Fluchtimpulse fokussiert wird, geht es beim ISP um die Vervollständigung von (unangenehmen) emotionalen Erfahrungen. Diese unvervollständigten Emotionen sind häufig in schwierigen Situationen der Kindheit entstanden, in denen wir von wichtigen Bezugspersonen (z.B. Eltern) nicht genug Unterstützung erfuhren, um mit den schmerzhaften Emotionen umgehen zu können. Seit dem stecken sie wie Stoffwechsel-Rückstände in unserem System und hindern uns dabei, die ursprünglichen schwierigen Situationen (vollständig) zu verarbeiten.
Alles in uns ist von Natur aus darauf ausgerichtet, unangenehme und schmerzhafte Erfahrungen zu vermeiden. Sobald wir ein schlechtes Gefühl haben, wittert das Gehirn Gefahr, schlägt Alarm und versucht die Bedrohung loszuwerden.
Die Abwehr von schlechten Gefühlen ist evolutionär sinnvoll und soll unserem Überleben dienen. Sie geschieht auf den unterschiedlichsten Ebenen. So kann z.B. der Körper die schmerzhafte Erfahrung minimieren, indem er weniger atmet, oder indem er bestimmte Muskelgruppen (z.B. das Zwerchfell) anspannt. Eine andere Möglichkeit wäre, die Kehle dicht zu machen (Kloß im Hals), um die unangenehme Erfahrung zu reduzieren. Diese Erlebnisvermeidung ist sehr nachvollziehbar. Jedoch führt sie leider dazu, dass wir uns immer mehr anspannen und wappnen müssen, um die unangenehmen emotionalen Erfahrungen kontrollieren und abwehren zu können.
Emotionen enthalten wichtige Informationen über eine Situation (z.B. eine Prüfung), über unsere Bedürfnisse und über unsere Fähigkeiten mit dieser Situation umgehen zu können. Je mehr wir uns von diesen wichtigen Informationen abschneiden, umso geringer ist unsere Fähigkeit präsent mit unserer Lebensenergie und mit unseren Fähigkeiten zu sein. Je mehr wir denken uns gegen unsere unangenehmen Emotionen wappnen zu müssen, umso angstgetriebener leben wir und umso limitierter wird unser Leben sein.
Wir nehmen uns die Möglichkeit eine schwierige Emotion zu verarbeiten, wenn wir diese abwehren. Dann stecken die unverarbeiteten Emotionen (z.B. nach einer Kränkung) unverdaut – wie Schlacke – in unserem System. Im ISP geht man davon aus, dass jeder Körperbereich, ja sogar jede Zelle am Management von Emotionen beteiligt sein kann. In der Praxis der Verkörperung dehnen wir die unangenehme Emotion mehr und mehr im ganzen Körper aus. Bildlich gesprochen legen wir dabei die Emotion (z.B. Kränkung) auf die Werkbank der Seele. Indem wir uns der schwierigen Emotion gezielt aussetzen, wächst unsere Fähigkeit, damit präsent sein zu können. Auf diese Art verarbeiten wir die Emotion und das auslösende Ereignis (z.B. Kränkung).
Wenn wir uns einer schwierigen Emotion mehr und mehr aussetzen, können wir unmittelbar mit den sich daraus erwachsenen Früchten rechnen. Wir merken in der Regel schnell, dass der Atem leichter wird, die Muskulatur Spannung loslässt, die Gesichtszüge weicher werden, wir uns mehr im Körper spüren, wir mehr Expansion erleben. Außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass Erinnerungen aufkommen, wann wir uns in der Vergangenheit schonmal so gefühlt haben. Weiterhin werde wir wahrscheinlich Erkenntnisse haben, die uns helfen, die Emotion besser einordnen und verstehen zu können. Die gebundene Energie, die in den unvollständig verarbeiteten Emotionen steckte, kann sich lösen und zu unserem Wohlgefühl und zu mehr Gesundheit beitragen.