NARM-Touch kann eine hilfreiche, ergänzende Methode einer NARM-Therapie sein. Sie eignet sich besonders für die unterstützende Behandlung von sehr frühem Trauma und arbeitet mit Berührung. Aus biologischer Sicht sind wir alle als Angehörige der Gattung Mensch Frühgeburten. Im Laufe der Evolution vom Primaten zum Menschen hat sich das Gehirn und damit der Kopf des Menschen so sehr vergrößert, dass „Mutter Natur“ die menschliche Geburt vorverlegen musste. Denn ohne diese „Maßnahme“ hätte der kindliche Kopf nicht mehr durch den Geburtskanal des mütterlichen Beckens gepasst. Als „Biologische Frühgeburt“ brauchen wir für die „Nachreifung“ nach der Entbindung für eine lange Zeit eine Art „Gebärmutter im Außen“. Damit ist kein Brutkasten gemeint, sondern ein Umfeld, das sehr eingestimmt auf die Bedürfnisse des Neugeborenen ist. Der Säugling ist noch auf allen Ebenen sehr inkompetent und somit in einem Zustand absoluter Verletzlichkeit. Es braucht die zuverlässige Bindung, z.B. zur Mutter, die sich engmaschig, um die Erfüllung seiner Bedürfnisse kümmert. Der Säugling braucht zum Überleben die sichere Bindung zur Mutter genau so wie die Luft zum Atmen und die Milch zum Trinken.
Wenn die existentiellen Bedürfnisse des Neugeborenen in kontinuierlicher Weise nicht erfüllt werden, kommt es zu einer überwältigend heftigen Erregung und zu entsetzlicher Angst. Die drastische Dysregulation des Nervensystems geht mit unaushaltbaren Körperempfindungen einher. Auf dem wackeligem und sich schmerzhaft anfühlendem körperlichem Fundament des dysregulierten Nervensystems entsteht das psychologische Selbst, das sich als prinzipiell falsch und unwillkommen in der Welt empfindet.
Wenn die zentralen Bedürfnisse des Neugeborenen nicht erfüllt werden, beginnt es erst zu quengeln, dann lauthals zu protestieren, und schließlich gerät es in Wut und Rage. Mit der angeborenen Fähigkeit zum Protest will das Kind der versagenden Umgebung mitteilen: TUT ETWAS, KÜMMERT EUCH UM MICH. Wenn selbst die Wut keine positive Verhaltensänderung der Umwelt bewirkt, zieht sich das Kind vollständig in sich zurück. Das Kleinkind, das nun als brav und pflegeleicht erscheint, hat sich in einem Prozess der Dissoziation vollständig von seinen Bedürfnissen, seinen Körperempfindungen und seinen Emotionen abgeschnitten.
Da das Muskelsystem beim Neugeborenen noch so wenig ausgebildet ist, kann die hohe Erregung und die überwältigende Angst noch kein Ventil im „Kampf- und Flucht – Modus“ finden. Stattdessen kommt es direkt zum primitiveren Bewältigungsstil „Erstarren / Kollaps“. Das geht mit einem Zusammenziehen bis zum Kern einher. Davon betroffen sind die Organ-Häute (Viszera), die Eingeweide und die Gelenke. Es kommt zur Anspannung von Augen, Ohren und der Schädelbasis. Wer schon mal beobachten konnte, wie sich eine Amöbe, die mit einer Nadel geärgert wurde, einrollt und zusammenzieht, hat genau diesen Prozess vor Augen. Oft tragen die Betroffenen, diese – in der Kindheit entwickelten – Anspannungs- und Rückzugsmuster ins erwachsenen Leben fort. Auf emotionaler Ebene gehen diese Muster oft mit schlimmen unterschwelligen Befürchtungen und – oft namenlosen – Ängsten einher. Die Welt erscheint voller Gefahren. Im Zusammensein mit anderen Menschen bleibt ein Gefühl des Fremdseins und des Ausgeschlossen-Seins.
Die Berührungen in einer NARM-Touch-Session werden im Dienste der Förderung der Selbstermächtigung (Agency) der Klient*in angewendet. Während der Klient*in Berührung angeboten wird, achtet sie darauf, was das Angebot mit ihr macht. Empfindet sie eine angenehme Bereitschaft für den Kontakt oder taucht vielleicht Angst vor der angebotenen Nähe auf? Die eigenen inneren Rhythmen von „Kontakt-Möchten“ oder lieber „Kontakt-Unterbrechen“ werden erforscht. Dabei gibt es keine Wertungen, keine Ideen, wie es sein sollte, sondern idealerweise Interesse und Neugier für die auftauchenden inneren Prozesse.
Mit Hilfe von Berührung wird langsam und geduldig „Vom Körper her“, von „Unten“ („Bottom Up“) eine stabilere Basis in das wackelige Fundament eingezogen. Auf diese Weise kann es zu Erfahrungen von Vertrauen, Eingestimmt-Sein, Verbindung, Zugehörigkeit und allgemeinem Wohlgefühl kommen. Der biografisch sehr frühe Rückzug aus der Verbindung vom eigenem Körper, von den eigenen Emotionen und von anderen Menschen kann zu Gunsten einer größeren Bereitschaft zu mehr Kontakt langsam aufgegeben werden.
Die reguläre NARM-Therapie erfolgt in zwei Richtungen: „Bottom ->Up“ und „Top -> Down“. Je mehr durch „Bottom Up“ ein Fundament eingezogen ist, umso mehr kann dann „Top Down“ gearbeitet werden . Dabei werden die auf Scham basierenden Identifikationen, die sich durch Varianten von Selbst-Ablehnung und Selbsthass auszeichnen, in Frage gestellt und durchgearbeitet. [link]