Christoph
Millington
Körperpsychotherapie in Form von Somatic Experiencing (SE) ist ein kraftvolles Instrument zur Prävention und Behandlung von Schock- und Entwicklungs- Traumata. Die Auflösung von Traumata ist ein natürlicher Prozess, der durch innere Achtsamkeit auf den Körper initiiert werden kann. Eine jahrelange psychotherapeutische Behandlung, ein wiederholtes Reaktivieren von Erinnerungen – all dies ist dabei nicht erforderlich. Bei dieser achtsamkeitsbasierten Therapiemethode nutzen wir unserer eigenen Ressourcen, durch Erdung und Nachspüren von Körperempfindungen, Gefühlen, Gedanken oder Bildern „verhandeln“ wir Traumata neu.
Menschliche Reaktionen sind primär instinktiv und erst sekundär psychisch und kognitiv. Sie beinhalten drei angeborene Überlebensstrategien: Flucht, Kampf und Totstellreflex (Immobilität). Diese drei Reaktionen sind allen Säugetieren gemeinsam (vgl. auch Polyvagal-Theorie nach Stephen Porges).
Der Schlüssel bei Traumata liegt darin – mit Hilfe der Körperpsychotherapie – in kleinen Schritten die im Nervensystem (z.B. im Totstellreflex) gebundene Energie zu lösen und unsere eigene natürliche Fähigkeit zu entfalten, unser Gleichgewicht auch bei weit zurückliegenden, extremen Ereignissen wiederzufinden. (Vergleich hierzu auch die bahnbrechende Arbeit von Peter Levine mit seiner Methode Somatic Experiencing).
Unser Körper und unsere Instinkte spielen eine wesentliche Rolle – sowohl bei der Entstehung als auch bei der Bewältigung eines Trauma: Die Reaktionen während einer Bedrohungssituation basieren größtenteils auf Instinkt und werden vom Stammhirn kontrolliert. Dieser Teil des Gehirns unterliegt nicht unserer bewussten Kontrolle und lässt sich ab einem bestimmten Stresspegel über Willen oder Intellekt nicht mehr beeinflussen. Deshalb sind auch kognitive oder emotionale Therapieansätze – im Gegensatz zur körperorientierten Psychotherapie – zur Heilung von Trauma nur bedingt erfolgreich.
Eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation wird vom Organismus mit Kampf, Flucht oder sogar mit dem Totstellreflex beantwortet.
Typischerweise kommen diese biologischen Reaktionen nicht zu ihrer Vollendung. Genau dieses Steckenbleiben der biologischen Energien verhindern das Abschließen der „schlimmen Erfahrung“.
Es ist nicht nötig das traumatische Geschehen nochmals kathartisch zu durchleben. Es ist sogar möglich ohne Inhalt oder Erinnerung daran zu arbeiten. Wesentliche Wirkfaktoren der Körperpsychotherapie (bzw. der körperorientierten Psychotherapie) sind Erdung, Zentrierung, Ressourcenbildung und das Nachspüren der Körperempfindungen, Gefühle, Verhaltensweisen, Gedanken, Bilder und Bewegungen. Zunächst werden jene Ressourcen entwickelt, die während der ursprünglichen Situation fehlten oder zu schwach waren. (Vgl. Somatic Experiencing von Peter Levine)
Aus einem ressourcenvollen Zustand erfolgt die Annäherung an die überwältigende Erfahrung. Durch ein „Pendeln“ zwischen den Ressourcen und dem Trauma-Erleben wird die „eingefrorene“ Überlebensenergie „aufgetaut“. Die Veränderung soll dabei bewusst in kleinen Schritten erfolgen, damit der Organismus diese auch wirklich integrieren kann.
Die unvollständige Überlebensreaktion kommt dadurch zum natürlichen Abschluss und somit auch die Trauma-Symptomatik.
Die Behandlung des sexuellen Missbrauch mit Somatic Experiencing kann finanziert werden durch den Fond Sexueller Missbrauch. Mit einem einfach zu stellendem Antrag kann häufig ein Budget von 10.000 € bewilligt werden.
Die Wirksamkeit von körperpsychotherapeutischen Interventionen beschränkt sich nicht auf die Behandlung von Trauma. Auch innere Erlebensprozesse, die mit Ängsten, Depression, Stress und Burnout einhergehen, haben eine Korrelation mit einem dysregulierten Autonomen Nervensystem. Dieses lässt sich sehr gut mit der körperorientierten Psychotherapie beeinflussen. (Vgl. Somatic Experiencing von Peter Levine).